Brieftauben

Okay, erwischt, ich gebe es zu! Ich bin kein Stadtkind! Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen und kann deshalb vielleicht die Taubenphobie vieler Städter nicht ganz teilen. Immerhin gilt die weiße Taube doch als Symbol für Frieden. Und wünscht sich nicht jedes kleine Mädchen, dass auf ihrer Hochzeit, unmittelbar nach dem Ja-Wort, unzählige weiße Tauben zum Himmel aufsteigen? Und was ist mit der Brieftaube?
Unsere Nachbarn hatten in meiner Kindheit einen Taubenschlag. Unzählige Male habe ich gesehen, wie der alte Herr seine Tauben morgens in seinen Kombi gepackt hat. In den Abendstunden saß er dann wartend vor der Holzhütte und starrte nervös auf seine Uhr. Irgendwann hörte man das Flügelschlagen und der Schwarm zog über unseren Garten, Richtung Taubenschlag.
Im Ruhrgebiet nennt man die Brieftaube ja auch das Rennpferd des einfachen Mannes, aber ich glaube, für meinen Nachbarn waren es mehr als irgendwelche austauschbaren Sportgeräte. Ich erinnere mich, dass einmal eine Taube vor unserem Küchenfenster landete und dann über die Fensterbank hinkte. Meine Mutter rief sofort unseren Nachbarn an, der die Taube abgeholt und dann wochenlang gesund gepflegt hat.
Eigentlich ist es doch ein wunderschönes Hobby: spannender Wettkampf und Liebe zu Tieren zugleich. Ganz davon abzusehen, dass Brieftauben auch famose Flugleistungen erbringen können und unter Sammlern gerne bis zu sechsstellige Preise erzielen. Brieftauben erreichen bei ihren Flügen Höchstgeschwindigkeiten von 100 Kilometern pro Stunde und legen bei Wettkämpfen Strecken von mehr als 1.000 Kilometern zurück. Jüngst wurde in Belgien ein Taubenschlag aufgelöst, dessen wertvollster Vogel mehr als 150.000€ brachte
Die Taube ist also weitaus mehr als einer dieser städtischen Plagegeister. Aber woran erkennt man, ob es sich um eine Brieftaube handelt? Ganz einfach: Sie tragen einen farbigen Ring am rechten Fuß, mit dessen Hilfe jede Taube ihrem Züchter zugeordnet werden kann. Solltet ihr also wirklich einmal eine verirrte Brieftaube in eurem Garten finden, reicht ein kurzer Blick ins Internet und der Züchter kann sein – vielleicht mehrere tausend Euro teures – Tier bei euch abholen kommen.